Störende Neigungen auf dem Yoga-Weg: Kleshas

Lesedauer 3 Minuten

Wie man sich selbst oft durch die störende Neigungen auf dem Yoga-Weg ein Bein stellt ohne es zu bemerken und mit Hilfe vom Yoga Sutra dahinter kommt.

Blinde Flecken erkennen

Kennst du deine blinden Flecken? Die fünf störende Neigungen sollte man kennen, wenn man auf dem Weg der Erkenntnis voranschreiten möchte. Man nennt sie Kleshas (Yoga Sutra 2.2 bis 2.9). Sie sind in jedem angelegt wie ein Unkrautsamen und unterschiedlich weit entwickelt. Sind sie noch klein, kannst du sie auch leichter ausrupfen, später verändern sie komplett deine Sichtweise und du siehst buchstäblich den Wald vor lauter Bäumen nicht! Da ist Yoga natürlich eine wunderbare Methode, diese Hindernisse aufzudecken und wieder ins Bewusstsein zu holen: Denn nur wenn du den blinden Fleck erkennst, kannst du ihn verändern. Du kannst dir dazu auch Hilfe von anderen Menschen suchen, die dir Feedback geben oder dich darauf hinweisen. Oder du übst Yoga, verfeinerst deine Wahrnehmung – und meisterst deine blinden Flecken selbst.

Störende Neigungen auf dem Yoga-Weg: Kleshas

Um nicht wie ein ferngesteuertes Wesen zu funktionieren und nicht jeder deine Knöpfen drücken kann wie es ihm beliebt, möchtest du doch bestimmt die störende Neigungen kennen, oder nicht? Patañjali identifizierte diese für uns und bietet auch gleichzeitig an, dass “zukünftiges Leid vermieden werden kann”: Durch das Lösen von der Anbindung an das Objekt, löst man auch die Bindung an das Leiden. Dazu musst du differenzieren lernen, was diese Objekte sind, welche echt und welche nur Schein sind. Mit dem achtgliedrigen Pfad kannst du Leid erlösen, erkennen und vermeiden lernen. Also frisch angetreten und Yoga geübt! Yamas, Niyamas, Asana, Pranayama, Pratyahara, Dharana, Dhyana und Samadhi. In der Kunst der Unterscheidungsfähigkeit liegt der Schlüssel, Yoga reinigt den Geist wie ein trübes Glas, um die fünf Kleshas zu erkennen und zu überwinden:

Fünf Kleshas: Avidhya

Das oberste Klesha ist Avidya und bedeutet Nichtwissen oder falsches Wissen. Aufgrund von Erfahrungen handelst du wie im Autopilot und hast gar nicht die Möglichkeit, dich anders zu verhalten. Die weiteren vier Kleshas sind tatsächlich nur die logische Folge von Unwissenheit:

Ich-Identifikation: Asmita

Asmita ist die falsche Identifizierung mit dem Ego, eine falsche Selbstannahme, aber auch Hochmut und Überheblichkeit. Beispielsweise könntest du denken, du seist witzig, deine Kollegen verdrehen aber nur die Augen, wenn du wieder so richtig loslegst. Und wenn du das nicht merkst, kann es der blinde Fleck oder eben die falsche Selbstannahme sein.

Asmita ist die Ichverhaftung, die Identifikation mit deinem Ich. Du glaubst, du bist das. Was? Ein Zellhaufen, ein Körper, ein Geist? Machen dich deine Gedanken und Gefühle aus? Schau doch mal von außen, was dich ausmacht und was sich bereits verändert hat: Dein Aussehen, deine Lebensumstände von der Kindheit bis jetzt, deine Arbeit, deine Freunde und deine Hobbys. Bist du dein Erfolg (positive) oder dein Schmerz (negative Identifikation)? Glaubst du, etwas gut zu können oder gar nicht? Das sind alles Zuschreibungen, die nicht stimmen, wenn du tiefer gehst.

Wer bist du also? Frag dein Bewusstsein, wenn du es findest! Scherz beiseite: Genau darin liegt die Angst, das nicht genau zu wissen. Deshalb pflegen die meisten Menschen ihr Image, ihre Identifikation mit etwas. “Mit etwas” ist aber nicht du. Du hast auf dem Weg dein Selbst vergessen (Avidya), und dich mit etwas identifiziert, was man nicht wirklich ist (Asmita). Und daraus ergibt sich, was du magst (Raga), was du ablehnst und nicht magst (Dvesha) und deine Angst (Abhinivesha) vor Verlust.

Wunsch & Abneigung: Raga & Dvesha

Zu den fünf Kleshas gehört neben der Abneigung (Dvesha) auch der Wunsch (Raga) nach etwas, es ist das Habenwollen. Ich mag kein Fleisch, aber dafür liebe ich Schokolade, oder ich mag jenen nicht, liebe aber diesen. Das kennt man von sich selbst wahrscheinlich nur allzu gut. Bekommt man nicht das, wonach man sich sehnt, entsteht ebenfalls Leid, genau wie bei der Abneigung. Je nach Raga oder Dvesha werden Entscheidungen im Leben gefällt; mit Yoga sucht man den Ausgleich und versucht, den objektiven Blick zu schärfen und Abstand zu gewinnen.

Die Übungen auf der Matte in einer Gruppe eröffnet dir die Möglichkeit, alles, was auf dich zukommt, mit Gleichmut anzunehmen. Ist die innere Haltung von Gleichmut geprägt, wird dein Blick klar für die wesentlichen Dinge. Abneigungen und Vorlieben fallen von dir ab. Du liebst nicht mehr nur einen, sondern alle gleichermaßen, denn Liebe kennt keine Beschränkungen. Für nervige Mitbürger entwickelst du plötzlich sogar Verständnis und die Beförderung, die du nicht erhälst, bedeutet keine Enttäuschung mehr, weil du zufrieden ist: Du bist nicht dies, noch das. Denn du weißt, das macht dich nicht aus! Und du bist wunschlos glücklich, lebst mit dir im inneren Frieden.

Abhinivesha

Das letzte Hindernis, auf das alles hinausläuft, ist die Furcht vor Verlust, Auslöschung, Tod. Deshalb gilt Abhinivesha als die Wurzel aller Ängste. Die größte Furcht ist natürlich die Angst vor Tod und Auslöschung. Aber auch alle anderen Ängste können übermächtig werden, dich lähmen. Dabei formt nur dein Geist diese Angst und du erkennst daran, wie machtvoll er ist. Abhinivesha steht zudem für alle Unsicherheiten und Zweifel. Alle fünf Kleshas halten dich immer wieder davon ab, zu erkennen, was ist – ohne Filter vor der Wahrnehmung – und richtig zu handeln. Mit etwas Abstand kannst du sie erkennen – beispielsweise durch Innehalten und Meditation (Dhyana).

Annette Bauer

Hinterlass bitte hier deinen Kommentar