Erzähl mir eine Geschichte

Lesedauer 3 Minuten

Wenn andere etwas Behaupten, uns be- oder verurteilen, übernehmen wir das leider allzu oft. Besonders in der Kindheit werden Bewertungen verinnerlicht, die uns aber gar nicht (mehr) entsprechen.

Wahrheit, ick hör Dir trapsen!

Ist meine Wahrheit die echte und wahre oder ist die eines anderen wahrer? Das ist nicht so einfach. Byron Katie hat eine Technik mit “The Work” entwickelt, der vermeintlichen Wahrheit auf den Grund zu gehen. Es ist ein tolle Methode, sich Klarheit zu verschaffen. Eigentlich ist es oft eine Situation, in der wir mit unseren Gefühlen nicht klarkommen. Man stellt sich selbst in einer unklaren Gefühlssituation folgende vier Fragen:

  1. Ist es wahr?
  2. Weiß ich mit absoluter Sicherheit, dass es wahr ist?
  3. Was fühle ich bei diesem Gedanken?
  4. Was wäre ich ohne diesen Gedanken?

Dabei wird einem klar, dass Ärger und Wut im Kopf bei einem selbst entstehen. Absolute Wahrheiten sind selten und gelten dann als Universelle Prinzipien oder Gesetze. Was für den einen eine problematische Situation darstellt, ist einem anderen gar nicht bewusst. Und jeder geht mit Ärger oder Frust anders um. Dazu kommt noch die Tagesform. geht es mir allgemein gut, bewerte und verurteile ich nicht so schnell. Geht es mir nicht gut, ist mein Geduldsfaden eher kurz. Yoga hilft mir. Ich möchte nicht wissen, wo ich jetzt nervlich wäre ohne Yoga!

Klarheit durch “The Work”

Jeder Mensch erzählt sich selbst immer seine eigene Geschichte. Es ist eine Mixtur aus den Gedanken, gemachten Erfahrungen und Bewertungen, dem Wertesystem der Familie und den eigenen Vorurteilen. Storytelling ist gerade “the new black”. Der Journalismus lebt seit ein paar hundert Jahren davo, also hier nichts Neues. Wieso ist das gerade so ein Hype? Weil jeder seine eigene Geschichte neu erfinden kann. Das Internet macht es möglich, dass jede*r das werden kann, was er oder sie sein möchte. Deshalb ist Storytelling zwar schlau, weil es immer auf die Emotionen zielt. Es bringt aber keine Klarheit. Und die haben alle bitter nötig, um mit sich selbst ins Reine zu kommen. Und dann wird die eigene Geschichte erst stimmig. Dabei hilft unter anderem “The Work” oder auch Meditation (um mal wieder die Kurve zu Yoga zu bekommen).

Meine Wahrheiten

Man kann also nicht nur seine Gedanken untersuchen, sondern auch Aussagen, die andere über einen fällen. Miene konkreten Wahrheiten zu Aussagen anderer Leute:

  • ich bin nicht frech, sondern verbal überlegen.
  • ich bin nicht kompliziert, sondern eine Herausforderung.
  • ich bin nicht eifersüchtig, ich teile nur nicht gerne.
  • ich bin nicht verwöhnt, sondern wohlfühlorientiert.
  • ich bin nicht launisch, sondern verfüge über flexible Stimmungen.

Was hätte Pippi Langstrumpf daraus gemacht? Unbequeme Frauen sind eben nicht devot. Sie leben ihre Wahrheiten. Viele von uns finden das erst mit den Wechseljahren heraus. Die jüngere Generation hat da eigene Vorgehensweisen. Das freut mich sehr. Die #MeToo-Debatte wurde leider auch männlich-aggresiv geführt. Interessanter wäre es, wenn wir Frauen es weiblich angehen. Wie sähe das aus? Nicht-Aggressiv (Ahimsa) wie Sarasvati, mit Intelligenz und Gelassenheit, einer klar dominanten Durga oder das Schwert der Klarheit schwingenden Kali. Und noch schöner wäre eine lustvoll-verspielte Lalita!

Perspektivenwechsel

Die unterschiedlichen Perspektiven dienen dazu, eine weibliche Form zu finden, wie wir mit männlichem (Macht-)Missbrauch umgehen können. Und das ist umso wichtiger in diesen Zeiten, in denen alles neu definiert wird. Alles! Davor haben viele von uns Angst. Es bedeute aber auch, eine Vielzahl an Möglichkeiten für jede Einzelne von uns. Welche Story oder Geschichte möchte ich von mir erzählen? Wei kann ich die neue Gemeinschaft (Sangha) der Menschen mitgestalten?

Erzähl mir eine Geschichte

Sprachen lernen hilft. Ich spreche drei Sprachen: Ironisch, Sarkastisch und Zweideutig. Na gut, laue Witze mal zur Seite gepackt. Unsere Prägungen und Lebensläufe legen unsere Geschichte fest. Jeder gute Psychotherapeut würde hier einhaken und sagen: Es ist nie zu spät für eine glückliche Kindheit. Es ist immer das, was wir uns ständig selbst erzählen, das wird zur Wahrheit. Wenn ich immer Opfer und ohnmächtig bin, bleibt es so. Und alle Ereignisse werden genauso von mir interpretiert, damit sie in meine Geschichte passen. Das brauche ich als Sicherheit, dass alles stimmig ist (und bleibt). Oder ICH ändere es!

Frage:
In welcher Geschichte leben Sie? Was wäre, wenn es noch eine andere, total verrückte Geschichte für Sie gäbe? Wie würde diese Geschichte sein?

Annette Bauer

2 Kommentare

  1. Veröffentlicht von Juan am 3. Juli 2019 um 9:29

    Liebe Annette,
    Es ist erfrischend Deine Artikel zu lesen und es ist gut frech zu sein, die Zunge rausstrecken wie Kali und loslachen wie der Löwe. LG von Juan

    • Veröffentlicht von Annette Bauer am 3. Juli 2019 um 16:29

      Lieber Juan,
      ich danke Dir dafür!

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